Kinderpornografie

Kinderporno-grafie

Tatverdacht gegen Christoph Metzelder

Ich verfolge die Schlagzeilen in den Medien zu dem ehemaligen Nationalspieler Christoph Metzelder und gleich fällt mir das Bonmot von Thomas Fischer ein, ehemals Vorsitzender des Zweiten Strafsenates des Bundesgerichtshofs: „Journalist darf sich nennen, wer eine Tastatur bedienen kann. Ist das gut oder schlecht?„.

Dem unkritischen Journalisten reicht es bei „Kinderpornografie“ für die nötige Klickrate schon aus, das bloße Wort zu nennen und mit einem Bindestrich – da Herr Metzelder ja nicht verurteilt ist – das Substantiv „Verdacht“ hinzuzufügen.

Um der Materie gerecht zu werden, bedarf es aber einer kritischen Würdigung der verfügbaren Informationen, denn der Verlust des Ansehens ist bei einem „Kinderpornografie-Verdacht“ groß und nie mehr rückgängig zu machen, selbst wenn das Verfahren nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt werden sollte.

Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg mit ausbaufähigen Strafrechtskenntnissen

Welcher Sachverhalt die Grundlage des „kinderpornografischen Verdachts“ im Bezug auf die Person Christoph Metzelder darstellt, wird erst durch die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg näher beschrieben, allerdings in bemitleidenswerter Qualität:

„Der Vorwurf Verbreitung kinderpornografischer bedeutet, dass Lichtbilder in diesem Fall verbreitet worden sein sollen, an denen sexuelle Handlungen an Kindern und durch Kinder gezeigt werden, das heißt, Kindern sind eben Personen unter vierzehn Jahren.“

1. Ein Tatvorwurf wird erst mit Erhebung der Anklage erhoben. Vorher, also im Ermittlungsverfahren, wird dem Beschuldigten nichts vorgeworfen, sondern er steht im Verdacht, etwas getan oder pflichtwidrig unterlassen zu haben.

Da eine Anklage nicht erhoben ist, ist es juristischer Unsinn, im Ermittlungsverfahren von einem „Tatvorwurf“ zu sprechen. Das mag man dem Reporter der Lokalzeitung Buxtehude nachsehen, nicht aber der Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg.

2. Ein Verbreiten kinderpornografischer Schriften (seit dem 1. Januar 2021 heißt es statt Schriften „Inhalte“), worunter auch Bilddateien fallen, setzt nach einhelliger Auffassung der strafrechtlichen Rechtsprechung und auch der überwiegenden strafrechtlichen Fachliteratur voraus, dass die Schriften – hier nach allen verfügbaren Informationen die Bilddateien – an eine vom Täter nicht mehr individualisierbare Vielzahl anderer Personen weitergegeben wird.

Nun entnehme ich den Meldungen, dass Christoph Metzelder Bilddateien über den Instant-Messeging-Dienst WhatsApp an eine einzelne Frau gesendet haben soll.

Das ist dann aber kein Verbreiten im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB, sondern eine Fremdbesitzverschaffung im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB. Wir wollen hoffen, dass sich die Staatsanwaltschaft Hamburg im weiteren Verfahrensverlauf aktuelle Gesetzestexte beschafft und dieselben auch mal liest – die Gesetzeslektüre erleichtert bekanntermaßen die Rechtsfindung.

3. Der Versuch der Definition von Kinderpornografie der Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg ging nun vollends daneben: Kinderpornografisch ist eine Schrift (auch ein Bild, vgl. § 11 StGB) im gravierendsten aller Falle dann, wenn sie sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) zum Gegenstand hat, also tatsächlich den sexuellen Missbrauch eines Kindes im Sinne des § 176 StGB darstellt.

Aber auch bereits dann, wenn die Schrift die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung oder die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes zum Gegenstand hat.

Jedenfalls im letzten Falle ist es keineswegs zwingend, dass das fotografierte Kind überhaupt irgendetwas von der Aufnahme mitbekommt. Daher fällt der Fall des aufnahmetechnisch fokussierten Gesäßes der unbemerkt fotografierten Dreizehnjährigen am Nacktbadestrand zwar unter Kinderpornografie, weist aber einen gänzlich anderen – nämlich wesentlich niedrigeren – Unrechtsgehalt auf als die Ablichtung sexueller Handlungen von Kindern, wie ihn aber die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg im Zusammenhang mit der konkreten Auskunft um den Tatverdacht zu Lasten des Herrn Metzelder formuliert.

Rechtskenntnis : Sprecherin Staatsanwaltschaft Hamburg = 3 : 0.

Tatverdacht gegen Christoph Metzelder beruht lediglich auf standardisiertem Vorgehen bei Besitzverschaffung über Telekommunikationsmittel

Wie kommt man nun auf Herrn Metzelder als Tatverdächtigen?

Ich kann es mir nur so erklären, dass diese ominöse Frau, an die Bilddateien kinderpornografischen Inhaltes versandt worden sein sollen, von einer Mobilfunknummer, die Herrn Metzelder zugeordnet wird, weil er Vertragspartner eines entsprechenden Mobilfunkvertrages ist, bestimmte Bilddateien erhalten haben soll.

Der Schluss, dass der Vertragspartner des Mobilfunkvertrages auch der tatsächliche Absender der Dateien war, ist genauso logisch unzulässig und strafprozessual unhaltbar wie der Schluss, dass der Halter eines Fahrzeuges auch derjenige war, der nachts den Radfahrer überfuhr und flüchtete, wenn Zeugen nur das Fahrzeug und dessen Kennzeichen, nicht aber den Fahrer sahen. Wäre es in diesem Radfahrer-Fall Metzelders Auto gewesen, so begegnete uns die Schlagzeile: „Ermittlungen gegen Metzelder wegen fahrlässiger Tötung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort“.

Gerechtfertigt mag es seitens der Ermittlungsbehörden sein, gegen den Vertragspartner des Mobilfunkvertrages in dem einen und gegen den Halter des Fahrzeuges in dem anderen Fall als „Tatverdächtige“ zu ermitteln, denn irgendwo muss man mit dem Ermitteln beginnen.

Ob es seitens der Presse gerechtfertigt werden kann, bei einem solchen „Standard“-Anfangsverdacht – resultierend aus dem Standardvorgehen der Ermittlungsbehörden – diese Meldung so zu formulieren, dass dieses standardisierte Prozedere unter den Tisch fällt, scheint mir zweifelhaft.