Beamter

als Beschuldigter eines

184b-StGB-Verfahrens

I. 12-Monatsschwelle

Ob einem Beamten als Folge eines Strafverfahrens wegen einer Straftat nach § 184b StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte – ein Disziplinarverfahren oder unmittelbar der Verlust der Beamtenstellung droht, hängt von dessen Ausgang ab:

Wird ein Landes- oder Gemeindebeamter von einem deutschen Strafgericht wegen einer vorsätzlichen Straftat – wie es die hier interessierenden § 184b und c StGB darstellen – zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten oder mehr verurteilt, endet das Beamtenverhältnis nach § 24 Beamtenstatusgesetz mit der Rechtskraft dieses Urteils, und zwar unabhängig davon, ob die Strafe nach § 56 des Strafgesetzbuches zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht. Gleichgültig ist bei einer solchen Strafhöhe auch, ob die abgeurteilte Straftat in irgendeinem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Für bestimmte Staatsschutzdelikte gelten engere Grenzen, diese interessieren in unserem Zusammenhang aber nicht.

Für Bundesbeamte gilt dieselbe Regelung, sie findet sich in § 41 Bundesbeamtengesetz.

II. Bindungswirkung bei Verurteilungen zu weniger als 12 Monaten

Während zwischen einem strafrechtlichen und einem zivilrechtlichen Verfahren keine Bindungswirkungen bestehen – mit der Folge, dass vor dem Arbeitsgericht dem Arbeitgeber die Beweislast für die Voraussetzungen einer auf der Begehung einer Straftat nach § 184b StGB beruhenden Verdachtskündigung des Arbeitnehmers obliegt -, besteht eine solche Bindungswirkung zwischen dem strafrechtlichen Verfahren und dem beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren. Das ergibt sich aus § 23 des Bundesdisziplinargesetzes:

(1) Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, durch das nach § 9 des Bundesbesoldungsgesetzes über den Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst entschieden worden ist, sind im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, bindend.

(2) Die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind nicht bindend, können aber der Entscheidung im Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden.

Unterschiedliche Verteidigungskonzepte bei Beamten und "Nicht-Beamten"

Insbesondere den ersten Absatz halte ich bei der Verteidigung eines Beamten wegen des Verbreitens, des Erwerbs oder des Besitzes kinder- oder jugendpornografischer Schriften stets im Auge, da es wegen dieser Bindung an die tatsächlichen Feststellungen zu kurzsichtig gedacht ist, sich nur auf das bestmögliche Ergebnis eines Strafverfahrens zu konzentrieren und dabei die diesem Ergebnis im Strafverfahren getroffenen Feststellungen unbeachtet zu lassen:

Nicht selten kommt es vor, dass die Staatsanwaltschaft in Ermittlungsverfahren wegen §§ 184b, c oder e StGB aufgrund einer umfassenden Verteidigungsschrift, die nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres widerlegbare Hypothesen beispielsweise bezüglich des fehlenden Vorsatzes auf das Tatbestandsmerkmal „Besitz“ im Sinne des § 184b StGB oder der Überschreitung des Schutzalters der auf Bilddateien abgebildeten Personen enthält, ihre Bereitschaft zu einer Verfahrenseinstellung gegen eine Geldauflage nach § 153a StPO signalisiert. Ist diese Geldauflage, die stets die durch einen externen Gutachter verursachten Kosten der Auswertung der sichergestellten Speichermedien mit umfasst, derart hoch, dass eine Anklage mit einem zu erwartendenen Urteil einer bestimmten Tagessatzanzahl und -höhe ökonomisch sinnvoller ist, kann es für den einen Nichtbeamten überlegenswert sein, den Weg der öffentlichen Hauptverhandlung zu gehen, da diesem jedenfalls neben dem Risiko der Verurteilung auch die Chance des Freispruchs und auch – in nicht seltenen Fällen! – die Chance der weitaus „günstigeren“ Einstellung nach § 153a StPO innewohnt, wenn das Gericht der Staatsanwaltschaft unmissverständlich klar macht, dass die Anklageschrift auf derart tönernen Füßen steht, dass nach drei weiteren Verhandlungstagen und zwei IT-forensischen Gutachten ein Freispruch zu Gebote stehen könnte; siehe hierzu beispielhaft das Verfahren wg. 184b StGB vor dem Amtsgericht München.

Dazu kann ich einem Beamten, dem in einem 184c-StGB-Verfahren eine Einstellung nach § 153a StPO von der Staatsanwaltschaft angeboten wird, wegen der Bindung der tatsächlichen Feststellungen nicht raten, sondern ihn auf die enormen Risiken einer Verurteilung – wenn nur zu einer Geldstrafe, womöglich noch unter der Eintragungsgrenze -, die jeder Hauptverhandlung nun einmal eigen sind, hinweisen.

Wird nämlich nach der rechtskräftigen Verurteilung ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet oder ist bereits parallel zum Strafverfahren ein solches eingeleitet worden, das während des Strafverfahrens ruht, sind die tatsächlichen Feststellungen in einem strafrechtlichen Urteil für dieses Disziplinarverfahren bindend. Man wird als Beamter im Disziplinarverfahren – anders als Angestellter vor dem Arbeitsgericht – nicht mit dem Vortrag gehört, man habe das Geständnis im Strafverfahren lediglich aus prozesstaktischen Gründen, wozu ja auch ökonomische zählen können, oder einfach nur zur schnellen Beendigung des Strafverfahrens und der damit einhergehenden sehr hohen psychischen Belastung abgelegt, es sei inhaltlich aber nicht zutreffend.

Entfall der Bindungswirkung nur bei offensichtlich falschen Feststellungen

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes als oberstes Fachgericht der Verwaltungsgerichte, vor denen die Disziplinarsachen gegen Beamte verhandelt werden, soll diese Bindungswirkung verhindern, dass zu ein- und demselben Sachverhalt unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden, nämlich im Strafverfahren diese und im Disziplinarverfahren jene. Der Gesetzgeber hat festgelegt, die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalts sowie die Sachverhalts- und Beweiswürdigung den Strafgerichten zu überlassen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass tatsächliche Feststellungen, die ein Gericht auf der Grundlage eines Strafprozesses mit seinen besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen trifft, eine erhöhte Gewähr der Richtigkeit bieten. Daher haben die Verwaltungsgerichte die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils ihrer Entscheidung ungeprüft (sic!) zugrunde zu legen, soweit die Bindungswirkung reicht. Sie sind insoweit weder berechtigt noch verpflichtet, eigene Feststellungen zu treffen. Die Bindungswirkung entfällt nur, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen offenkundig unrichtig sind.

Wer das in aller Ausführlichkeit nachlesen will, dem sei das Urteil des BVerwG vom 28.02.13 – 2 C 3.12 – BVerwGE 146, 98 Rn. 13 und dessen Beschluss vom 29.08.17 – 2 B 76.16 – empfohlen.

Die Reichweite dieser Bindungswirkung zwischen strafgerichtlichem Urteil und Disziplinarverfahren ist nicht zu unterschätzen:
Die erhöhte Richtigkeitsgewähr der Ergebnisse des Strafprozesses besteht für diejenigen tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils, die sich auf die Tatbestandsmerkmale der gesetzlichen Strafnorm beziehen. Die Feststellungen müssen entscheidungserheblich für die Beantwortung der Frage sein, ob der objektive und subjektive Straftatbestand erfüllt ist.
Im Falle einer Verurteilung müssen sie diese tragen. Dagegen binden nur solche Feststellungen nicht, auf die es für die Verurteilung nicht ankommt (BVerwG, Urteile vom 8.04.1986 – 1 D 145.85 – BVerwGE 83, 180 und vom 29.05.08 – 2 C 59.07 ; Beschlüsse vom 01. März 2012 – 2 B 120.11 – IÖD 2012, 127 , 129 und vom 09. Oktober 2014 – 2 B 60.14. Feststellungen, auf die es für die strafgerichtliche Verurteilung nicht ankommt, werden nur selten in einem strafgerichtlichen Urteil zu finden sein, da jedem Strafrichter das Bonmot des Juristen Christian Dietrich Grabbe bekannt ist: Was gestrichen ist, kann nicht durchfallen. Zu ergänzen: In der Revision.

III. Bindungswirkung von Feststellungen in Strafbefehlen

Hat der Angeschuldigte einen Verteidiger, so kann nach § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozesordnung (StPO) mittels Strafbefehl auch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr festgesetzt werden, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Wird dieses Höchstmaß ausgeschöpft, greift mit Rechtskraft des gegen einen Beamten ergangenen Strafbefehls entweder § 24 Beamtenstatusgesetz oder § 41 Bundesbeamtengesetz und das Beamtenverhältnis endet, ohne dass es einer Klage auf Entfernung aus dem Dienstverhältnis bedarf, siehe oben unter I.

Bei nach dem 1. Juli 2021 begangenen 184b-Taten kein Strafbefehlsverfahren mehr möglich

Nach der Hochstufung aller Tatbestandsvarianten des § 184b StGb, also allen kinderpornographische Inhalte betreffenden Handlungen, zum Verbrechen ist eine Abhandlung solcher Tatvorwürfe im Strafbefehlsverfahren nicht mehr möglich, da ein Strafbefehl nur bei dem Vorwurf eines Vergehens, nicht aber eines Verbrechens in Betracht kommt.
Die weiteren Ausführungen beziehen sich daher nur auf Tathandlungen im Zusammenhang mit Jugendpornografie – § 184c StGB – und auf solche Tathandlungen des § 184b StGB, die vor dem 1. Juli 2021 begangen worden sind, also dessen alte Fassung betreffen.

Vermeiden einer öffentlichen Hauptverhandlung durch das Strafbefehlsverfahren

Wurde ein Strafbefehl von der Staatsanwaltschaft beantragt, vom Gericht erlassen und vom Angeklagten akzeptiert, der als Rechtsfolge eine Freiheitsstrafe von 11 Monaten und 3 Wochen oder weniger – oder gar „nur“ auf Geldstrafe – lautet, lag diesem keine öffentliche Hauptverhandlung vor einem Strafgericht – in Form des Strafrichters als Einzelrichter, des Schöffengerichts, der Strafkammer oder eines Strafsenates – zugrunde, sondern erging im schriftlichen Verfahren.

Das Vermeiden einer öffentlichen Hauptverhandlung kann im Sexualstrafrecht generell und in Verfahren wegen des Verbreitens, des Erwerbs und des Besitzes kinderpornografischer Schriften gem. § 184b StFB durchaus erklärtes Ziel des Beschuldigten sein, so dass sich in vielen Fällen das Aushandeln eines Strafbefehlsantrages zwischen dem Staatsanwalt und mir als Verteidiger anbietet.

Handelt es sich bei dem Beschuldigten um einen Beamten, so ist im Falle des Strafbefehls im Hinblick auf die oben erörterte Bindungswirkung zwischen den tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteil und dem Disziplinarverfahren Folgendes zu beachten:

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juli 2015, Az. 2 B 31.14

Nach diesem Urteil hat der Beamte die dem Strafbefehl zugrunde liegenden Feststellungen im Disziplinarverfahren substantiiert zu bestreiten, wenn er diese nicht gegen sich gelten lassen will:

Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 ThürDG sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für die Disziplinarorgane bindend. Diese Regelung ist hier nicht anwendbar, weil ein rechtskräftiger Strafbefehl insoweit einem rechtskräftigen Urteil im Strafverfahren nicht gleichgestellt ist (BVerwG, Urteil vom 29.03.12 – 2 A 11.10 – Rn. 37). Nach § 16 Abs. 2 ThürDG sind die in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht bindend, können aber der Entscheidung im Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden. Hiermit wird dem Anliegen, divergierende Entscheidungen von Straf- und Disziplinargerichten über dieselbe Tatsachengrundlage nach Möglichkeit zu vermeiden, Rechnung getragen (BVerwG, Beschluss vom 15.03.13 – 2 B 22.12 – NVwZ-RR 2013, 557 Rn. 14).

Wegen des im Wortlaut angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses und des systematischen Zusammenhangs mit der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 und § 60 Abs. 2 Satz 1 ThürDG ist für die Anwendung des § 16 Abs. 2 ThürDG nur Raum, wenn die Richtigkeit der anderweitig festgestellten Tatsachen vom Beamten im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht substanziiert angezweifelt wird (BVerwG, Urteil vom 29.03.12 – 2 A 11.10 – Rn. 39 und Beschlüsse vom 04.09.08 – 2 B 61.07 -, vom 27. Oktober 2008 – 2 B 48.08 – Rn. 3 und zuletzt vom 26.09.14 – 2 B 14.14 – Rn. 10 m.w.N.). Das pauschale Vorbringen des Beamten, der festgestellte Sachverhalt entspreche nicht dem tatsächlichen Geschehensablauf, reicht nicht aus. Erforderlich ist eine von den gerichtlich getroffenen Feststellungen abweichende Schilderung des Lebenssachverhalts, die plausibel und nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist.

Bei der Abwägung, ob eine Erledigung des Strafverfahrens gegen einen Beamten im Wege des Strafbefehls opportun ist, prüfe ich als Verteidiger mit der allergrößten Sorgfalt, welche Tatsachen in dem Strafbefehl festgestellt werden können, und welche dieser Tatsachen nach dem jetzigen Erkenntnisstand in einem späteren Disziplinarverfahren substantiiert bestritten werden können. Wer die Wanderung auf diesem schmalen Grad beherrscht, kann einerseits die Segnung der vermiedenen Öffentlichkeit eines Strafbefehlsverfahrens nutzen, ohne dafür im Disziplinarverfahren Nachteile hinnehmen zu müssen.

IV. Bindungswirkung bei Absprachen im Strafverfahren ("Deal")

Ein Strafgericht kann sich – wie es in § 257c StPO heißt: – in geeigneten Fällen mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung – die Nebenklage spielt in Fällen der §§ 184b, c und d StGB wie keine Rolle – über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen.

Davon wird umso häufiger Gebrauch gemacht, je intensiver die Verteidigung ist; weshalb sollte sich ein Gericht das Wagnis der Verständigung aufbürden, wenn seitens der Verteidigung kein Widerstand geleistet wird?

Bestandteil jeder Verständigung „soll“ – so § 257 Absatz 2 Satz 2 StPO – ein Geständnis sein. Ich habe noch keine Verständigung ohne ein Geständnis, und wenn es auch nur ein Teilgeständnis war, erlebt. Was sollte denn die Verteidigung außer einem solchen Geständnis anbieten, um sich sozusagen „vergleichsweise“ auf ein bestimmtes Strafmaß zu einigen?

Bindungswirkung des Geständnisses

Bei der Verteidigung eines Beamten ist jedoch nicht nur das Ergebnis der Verständigung in Form der Sanktion maßgeblich für das weitere Schicksal des Angeklagten, sondern auch die Bindungswirkung, die ein Geständnis im Disziplinarverfahren hat.

Die Gefahr besteht nämlich darin, dass der angeklagte Sachverhalt, so falsch oder doch teilweise falsch er auch sein mag, oder so unrichtig seine rechtliche Bewertung sein mag, „gestanden“ wird, um beispielsweise weitere Ermittlungen, die ungünstigere Sachverhalte zum Vorschein bringen könnten, oder eine andere rechtliche Einordnung, die dem Angeklagten sanktionstechnisch aber ungünstiger ist als die der Anklageschrift und dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte falsche, abzuwenden und durch Rechtskraft des Urteils einen Strafklageverbrauch herbeizuführen, so dass der Lebenssachverhalt unter den neuen – ungünstigeren – Gesichtspunkten weder angeklagt noch rechtlich neu bewertet werden kann.

Die Gefahr prozesstaktischer Geständnisse

Auch in diesen Fällen des falschen Geständnisses gilt grundsätzlich die Bindungswirkung zwischen den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil und dem Inhalt des Disziplinarverfahrens.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Beschluss vom 24. Juli 2007 dazu folgendermaßen geurteilt (2 B 65.07):

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch geklärt, dass eine dem Strafurteil zugrunde liegende Urteilsabsprache die gesetzlich angeordnete Bindungswirkung nicht ohne weiteres entfallen lässt (Urteil vom 24. Februar 1999 – BVerwG 1 D 31.98 – juris Rn. 13, 16). Vielmehr setzt eine Lösung von den Tatsachenfeststellungen eines solchen Strafurteils voraus, dass die Absprache wesentlichen Anforderungen nicht genügt, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Zulässigkeit von Urteilsabsprachen unerlässlich sind (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97 – NStZ 1998, 31; Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 3. März 2005 – GSSt 1/04 – NStZ 2005, 389). Ein Strafurteil, das auf einer unzulässigen Absprache beruht, gilt als unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen (Urteil vom 14. März 2007 – BVerwG 2 WD 3.06 – juris Rn. 25). Mit dieser Rechtsprechung steht der Bedeutungsgehalt in Einklang, den das Oberverwaltungsgericht § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 HmbDG im Hinblick auf Urteilsabsprachen beigemessen hat.

Zur Zeit dieses grundlegenden Beschlusses war die Verständigung im Strafprozess noch nicht in der Strafprozessordnung normiert, der Grundsatz ist aber ohne Weiteres auf die heutige Rechtslage zu übertragen. In Fortführung dieser Rechtsprechung führt das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 14. Januar 2014, 2 B 84.13, folgende Umstände auf, bei deren Vorliegen die Bindungswirkung zwischen strafgerichtlichen Feststellungen und dem dem Disziplinarverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt entfällt:

Bereits nach seinem Wortlaut setzt § 16 Abs. 1 Satz 1 ThürDG für die Bindung der Disziplinarorgane ein rechtskräftiges Strafurteil voraus. Unter welchen Umständen dieses Urteil Rechtskraft erlangt hat, z.B. durch Rechtsmittelverzicht, ist für die Bindungswirkung, die im Interesse der Rechtssicherheit verhindern soll, dass zu ein- und demselben Geschehensablauf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden, grundsätzlich unerheblich. Die Voraussetzungen, unter denen das Gericht sich von den tatsächlichen Feststellungen dieses rechtskräftigen Urteils zu lösen hat, sind in der Rechtsprechung geklärt.

Die Verwaltungsgerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen, aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig oder in einem ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Hierunter fällt auch, dass das Strafurteil auf einer Urteilsabsprache beruht, die den rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Darüber hinaus entfällt die Bindungswirkung, wenn Beweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen (vgl. Urteile vom 29. November 2000 – BVerwG 1 D 13.99 – BVerwGE 112, 243 <245> = Buchholz 235 § 18 BDO Nr. 2 S. 5 f. und vom 16. März 2004 – BVerwG 1 D 15.03 – Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36 S. 81 f.; Beschlüsse vom 24. Juli 2007 – BVerwG 2 B 65.07 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 4 Rn. 11, vom 26. August 2010 – BVerwG 2 B 43.10 – Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 3 Rn. 5 und vom 15. März 2013 – BVerwG 2 B 22.12 – juris Rn. 6 ff.).

(eigene Hervorhebungen)

Man kann diese Umstände in strafprozessualer Hinsicht in drei Gruppen zusammenfassen: Die Bindungswirkung entfällt, so dass das Verwaltungsgericht als Disziplinargericht die strafgerichtlichen Feststellungen im Disziplinarverfahren nicht zugrunde legen darf, wenn

  • das strafgerichtliche Urteil erfolgreich revisibel ist oder im Falle der Einlegung der Revision gewesen wäre,
  • wesentliche Vorschriften über die Verständigung im Strafprozes augenscheinlich verletzt worden sind und
  • Gründe für eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens vorliegen.
Diese Bindungswirkungen sind bereits bei der Verteidigung eines Beamten im Stadium des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens – und nicht erst im Hauptverfahren oder gar im Rechtsmittelverfahren – wegen des Verdachtes einer Straftat nach den §§ 184b, c oder d StGB zu beachten und in die Matrix der mit dem Mandanten gemeinsam zu entwickelnden Verteidigungsstrategie mit einzustellen.

V. Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Verhaltens von Beamten

Nach dem insoweit wegweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2015 – BVerwG 2 C 9.14 – ist außerdienstliches Verhalten von Beamten nur dann disziplinarwürdig, wenn es zur Beeinträchtigung des berufserforderlichen Vertrauens führen kann. Das ist insbesondere bei vorsätzlich begangenen Straftaten sowie bei Vorliegen eines Bezuges zwischen dem Pflichtenverstoß und dem Amt des Beamten anzunehmen, wobei Anknüpfungspunkt hierfür das Amt im statusrechtlichen Sinn ist.

In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um einen Polizeibeamten, der – nicht von mir verteidigt! – durch rechtskräftiges amtsgerichtliches Urteil vom 17. Oktober 2006 wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften nach § 184b Abs. 4 StGB der damaligen Fassung, heute § 184b Abs. 3 StGB – zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden war. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil hatte der Polizeibeamte bis zum 16. März 2006 neun Videodateien mit kinderpornographischem Inhalt auf der Festplatte eines von ihm privat genutzten Rechners gespeichert, die u.a. die Ausübung von Geschlechts-, Oral- und Analverkehr von Erwachsenen mit Mädchen im Alter von etwa sechs Jahren zeigten. Das Strafgericht berücksichtigte zugunsten des Polizeibeamten, dass er in vollem Umfang geständig war.

Im Disziplinarverfahren, dem aufgrund der ausführlich dargestellten Bindungswirkung der strafgerichtlich festgestellten Sachverhalt zugrunde geöegt worden ist, hat das Verwaltungsgericht den Polizeibeamten aus dem Beamtenverhältnis entfernt, seine hiergegen eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Dabei ist das Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht über die vom Strafgericht abgeurteilten Taten hinaus auch vom Besitz zweier auf dem Computer aufgefundener Bilddateien mit kinderpornographischem Inhalt ausgegangen. Zur Begründung seiner Würdigung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, die Pflichtverletzung des Beamten gehe zwar auf eine außerdienstlich begangene Straftat zurück. Die in dem Fehlverhalten zum Ausdruck kommende defizitäre Einstellung zu der ihm als Polizeibeamten obliegenden Kernpflicht, die Rechtsordnung zu wahren und zu schützen, erlaube aber negative Rückschlüsse auf die Ausübung seines Amtes. Ein Bezug der außerdienstlichen Pflichtverletzung zu den Dienstpflichten des Beamten sei mithin gegeben, ohne dass es darauf ankomme, ob der Beamte gerade mit der Bearbeitung derjenigen Delikte betraut gewesen sei, die Gegenstand der von ihm begangenen Straftaten waren.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revision des Polizeibeamten gegen das Urteil, mit dem er aus dem Dienst entfernt wurde, als unbegründet ab und stellt seiner konkreten Entscheidung folgende allgemeingültige beamtenrechtliche bzw. disziplinarrechtliche Erwägungen an:

Außerhalb seines Dienstes ist der Beamte grundsätzlich nur verpflichtet, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG sowie § 19 Satz 3 LBG BB a.F.; hierzu BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 – BVerwGE 140, 185 Rn. 21). Außerdienstliches Verhalten kann den Pflichtenkreis des Beamten nur berühren, wenn es die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit betrifft und dadurch mittelbar dienstrechtliche Relevanz erlangt. Das Vertrauen der Bürger, dass der Beamte dem Auftrag gerecht wird, als Repräsentant des demokratischen Rechtsstaates eine unabhängige, unparteiliche und gesetzestreue Verwaltung zu sichern, darf der Beamte auch durch sein außerdienstliches Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, Urteil vom 30. August 2000 – 1 D 37.99 – BVerwGE 112, 19 <26>).

Als Dienstvergehen ist das außerdienstliche Verhalten von Beamten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dabei nur zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Unbeschadet des teilweise veränderten Wortlauts ist mit dieser Vorschrift eine inhaltliche Änderung gegenüber früheren Bestimmungen zur Qualifizierung außerdienstlichen Verhaltens – wie etwa § 43 Abs. 1 Satz 2 LBG BB a.F. – nicht verbunden (BVerwG, Urteile vom 25. August 2009 – 1 D 1.08 – Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 50 ff. und vom 25. März 2010 – 2 C 83.08 – BVerwGE 136, 173 Rn. 16 f.).

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 20. Juli 1967 (BGBl. I S. 725) reicht bei außerdienstlichen Verfehlungen nicht bereits die Pflichtverletzung selbst zur Annahme eines Dienstvergehens aus, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch eine Straftat begangen worden ist (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 – 2 C 83.08 – BVerwGE 136, 173 Rn. 14). Hinzutreten müssen weitere, auf die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung bezogene Umstände. Nur soweit es um die Wahrung des Vertrauens der Bürger in die Integrität der Amtsführung und damit in die künftige Aufgabenwahrnehmung geht, vermag das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Interesse an der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums die im privaten Bereich des Beamten wirkenden Grundrechte einzuschränken (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 – 2 BvR 52/02 – BVerfGK 4, 243 <254>).

Unterhalb dieser Schwelle erwartet der Gesetzgeber von Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten mehr als von jedem anderen Bürger (BT-Drs. 16/7076 S. 117 zum BBG sowie BT-Drs. 16/4027 S. 34 zum BeamtStG; hierzu auch BVerwG, Urteile vom 30. August 2000 – 1 D 37.99 – BVerwGE 112, 19 <26 f.> und vom 27. Juni 2013 – 2 A 2.12 – BVerwGE 147, 127 Rn. 24). Private Straßenverkehrsdelikte etwa begründen daher in der Regel kein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2000 – 1 D 37.99 – BVerwGE 112, 19 <23> zur einmaligen Trunkenheitsfahrt).

Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2003 – 2 BvR 1413/01 – NVwZ 2003, 1504 Rn. 30). Dabei kommt vorsätzlichen (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) Straftaten eine besondere Bedeutung zu (BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 – BVerwGE 140, 185 Rn. 24). Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist.

Besondere Dienstpflichten des Polizeibeamten: Wahrung der Rechtsordnung

Nach diesen allgemeinen und noch einigen anderen, den Beamtenstatus betreffenden Ausführungen folgt dann die Subsumtion auf den zu entscheidenden, wegen der Bindungswirkungen aus dem Strafverfahren unverändert entnommenen Sachverhalt des Polizeibeamten:

Der außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Bild- oder Videodateien weist einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf.

Anders als Erziehern oder Lehrern (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 2 C 5.10 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 15 ff.; Beschlüsse vom 25. Mai 2012 – 2 B 133.11 – NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 17 und vom 19. März 2013 – 2 B 17.12 – juris Rn. 7) ist Polizeibeamten zwar keine spezifische Dienstpflicht zu Schutz und Obhut gerade von Kindern auferlegt. Polizeibeamte haben indes Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit – insbesondere auch für schutzbedürftige Personen – eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Mai 2001 – 1 D 20.00 – BVerwGE 114, 212 <219> und vom 25. Juli 2013 – 2 C 63.11 – BVerwGE 147, 229 Rn. 20 sowie BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Januar 2008 – 2 BvR 313/07 – BVerfGK 13, 205 <209> für Staatsanwälte).

Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten – gerade zu Lasten Schutzbedürftiger – begehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten gerade mit der Verfolgung solcher Delikte betraut war oder Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen hatte. Erhebliche Straftaten eines Polizeibeamten begründen auch in Ansehung ihres außerdienstlichen Charakters ein disziplinarwürdiges Dienstvergehen.
(eigene Hervorhebungen)

VI. Fazit: Jeder Verteidigungsschritt ist vorher disziplinarrechtlich zu würdigen

Wenn Sie das Lesen bis hierher durchgehalten haben, erkennen Sie, das die Verteidigung im Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Verbreitung, des Erwerbs oder des Besitzes kinderpornografischer Inhalte oder auch jugendpornografischer Schriften im Falle eines beschuldigten Beamten die entscheidenden Weichen für das spätere Disziplinarverfahren stellt – ohne wenn und aber.
Wenn ich einen Beamten verteidige, stelle ich bei jedem Mosaikstein, aus dem sich das Gesamtgefüge der Verteidigungsstrategie ergibt, disziplinarrechtliche Überlegungen an, da auch das bestmögliche Ergebnis im Strafverfahren wegen § 184b oder c StGB mehr Schaden als Nutzen bringt, wenn wegen der Bindungswirkungen Disziplinarmaßnahmen – bis hin zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis – verhängt werden, ohne dass sich der betroffene Beamte im Disziplinarverfahren gegen die Grundlage der Entscheidung, nämlich die Feststellungen im Strafverfahren, noch irgendwie zur Wehr setzen könnte.