Kündigung

des Arbeitsverhältnisses wegen des Verdachtes von

Kinderpornografie

Drohender Jobverlust bei 184b-Verdacht

Wechseln Sie gedanklich einmal die Seiten und stellen sich vor, Sie seien Arbeitgeber – oder dessen Lakai in Gestalt eines „Personalers“ -, der einen Arbeitnehmer nur allzu gerne los würde, indessen trotz intensiver Bemühungen kein vertragswidriges Verhalten finden kann.

So der Arbeitnehmer männlichen Geschlechts ist, wird eines schönen Tages Kinderpornografie auf dessen Arbeitsrechner gefunden. Der unternehmenseigene ITler ist gleich zu Stelle, die Kriminalpolizei ist auch schon informiert. Der Arbeitnehmer wird unter Zeugen sofort frei gestellt, man fordert ihn zum Beweis der eigenen Empörung auf, „das Unternehmensgebäude unverzüglich und ohne Umwege zu verlassen“, hört ihn einen oder zwei Tage später der Form halber an, um ihm dann fristlos, hilfsweise ordentlich, zu kündigen.

Diese Konstellation behandele ich unter 1.

Wurde gegen den Arbeitnehmer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verbreitens, des Erwerbs oder des Besitzes kinderpornografischer Inhalte eingeleitet, weil er außerhalb des Arbeitsverhältnisses, also in seiner Freizeit, zu Hause oder sonst irgendwo – jedenfalls nicht am Arbeitsplatz – mithilfe des Arbeitsrechners irgendetwas heruntergeladen oder auch abgerufen – 184b Absatz 3, erste Variante StGB ! – haben soll, was die Ermittlungsbehörden als kinder- oder jugendpornografisch bewerten, hat der umsichtige Strafverteidiger detailliert nachzuvollziehen, wie der Arbeitgeber von diesen Ermittlungen Kenntnis erlangt hat, wenn er dem Arbeitnehmer wegen des Ermittlungsverfahrens kündigt – dies ist Gegenstand der Erörterungen unter 2.

Unter 3. spreche ich die arbeitsrechtlichen Konstellationen – Straftaten nach § 184b StGB am und außerhalb des Arbeitsplatzes – für den Fall, dass eine Verurteilung durch ein Strafgericht rechtskräftig wurde, an.

1. Verdacht einer Straftat nach § 184b StGB am Arbeitsplatz

Wie Sie der Vorrede entnehmen, regt sich in mir höchstes Misstrauen, wenn der Arbeitgeber oder dessen Fußsoldaten aus der Personalabteilung angeblich verbotene Film- oder Bilddarstellungen auf dem firmeneigenen Rechner, Mobiltelefon oder einem sonstigen arbeitgebereigenen Speichermedium, das der Arbeitnehmer in Benutzung hat, feststellen. In einem solchen Fall ist es meine Aufgabe als Verteidiger, akribisch nachzuvollziehen, wann, wie, woher, wohin, mit welchen Mitteln und auf welche Weise die Dateien dorthin gelangten, wo sie nun angeblich sind. Insoweit nichts Außergewöhnliches, solche IT-technischen Untersuchungen führe ich bei jedem Mandat durch, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber involviert ist oder nicht.

Ist er allerdings involviert, gesellt sich zu dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die arbeitsrechtliche Schwierigkeit in Form der Verdachtskündigung.
Zu deren Rechtfertigung werden von kündigungswilligen Arbeitgebern – oftmals entstellend verkürzt – Entscheidungsinhalte wie die folgenden zitiert:

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 386/05:

Das Herunterladen von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, beispielsweise weil strafbare oder pornographische Darstellungen heruntergeladen werden, ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Allein die Befassung mit pornografischen Darstellungen kann die Gefahr einer Rückverfolgung an den Nutzer mit sich bringen und damit den Eindruck erwecken, die Beklagte [gemeint ist das Unternehmen im Kündigungsschutzprozess, gegen das sich die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers richtet] befasse sich anstelle ihrer unternehmerischen Aufgaben mit Pornographie.

Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 30.03.2015 - 17 Sa 1094/13:

Die Gefahr einer Rufschädigung des Arbeitgebers entsteht bereits durch das Aufrufen pornografischer Internetseiten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.11.1978 — 2 AZR 145/77:

Einer Abmahnung bedarf es bei besonders groben Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nicht, wenn dem Arbeitnehmer seine Pflichtwidrigkeit ohne weiteres erkennbar ist und er mit der Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber nicht rechnen konnte.

Wer unbefangen die in der Rubrik „184b-StGB-Verteidigungen“ von mir beispielhaft vorgestellten Freisprüche von dem Vorwurf des Besitzes kinderpornografischer Schriften oder die Verfahrenseinstellung wegen des Verdachts des Verbreitens solcher Schriften studiert, wird zur Überzeugung gelangen, dass staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren deswegen „Ermittlungsverfahren“ und nicht Sanktionsfindungsverfahren heißen, weil sie die Überprüfung eines Verdachtes zum Gegenstand haben. Bestätigt er sich nicht, wird das Verfahren eingestellt.

Im Arbeitsrecht hingegen kann zu eben diesem Zeitpunkt der Einstellung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens die Verdachtskündigung als fristlose Kündigung bereits lange ausgesprochen sein, so dass der Arbeitsplatz faktisch verloren ist, da nur wenige die Nerven haben, nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung und vorangegangegen Freistellung weiter für den ehemaligen Arbeitgeber im Kreise der ehemaligen Kollegen tätig zu sein – selbst wenn der Arbeitgeber bei der von ihm behaupteten Speicherung oder dem Abruf strafbarer Inhalte die Hände nicht im Spiel gehabt haben sollte.

Um eine solche übereilte Kündigung eines tatsächlich und nicht nur simuliert von Ermittlungsmaßnahmen wie der Durchsuchung des Arbeitsplatzes überraschten Arbeitgeber zu vermeiden, ist es nach meiner Erfahrung sinnvoll, dass ich mich als Strafverteidiger in Absprache mit der Fachanwältin oder dem Fachanwalt für Arbeitsrecht, den Sie mit Ihrer Vertretung in der arbeitsrechtlichen Angelegenheit beauftragen, Ihrem Arbeitgeber gegenüber schriftlich äußere und ihm die vielfachen Möglichkeiten aufzeige, wie es beispielsweise zur Ermittlung einer fälschlich auf den Arbeitgeber weisenden IP-Adresse kommen kann, von der aus strafbare Inhalte aus dem oder in das Netz geladen worden sein sollen. Oder wie beispielsweise im Cache des Browsers oder des Betriebssystems Vorschaubilder in Form von Miniaturansichten abgelegt worden sein können, die der Rechnernutzer niemals zu Gesicht bekam, geschweige denn explizit aus dem Netz oder einem externen Speichermedium wie einem USB-Stick aufgerufen hat.

Es ist auch möglich – die taktische Überlegung treffen Sie mit Ihrem Fachanwalt für Arbeitsrecht -, ob ich Sie mit den notwendigen IT-Kenntnissen versehe, die Sie dann im Rahmen der notwendigen Anhörung vortragen.

Diese vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist formelle Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Dies ergibt sich aus den Besonderheiten des „wichtigen Grundes“, denn – so das Bundesarbeitsgericht in 2 AZR 474/07 -, anders als bei einem aufgrund von Tatsachen bewiesenen Sachverhalt, besteht bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr, dass ein Unschuldiger betroffen ist:
Nach dieser Entscheidung muss der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, die Verdachtsgründe bzw. Verdachtsmomente zu beseitigen bzw. zu entkräften und ggf. Entlastungstatsachen geltend zu machen.

Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft die aus der Aufklärungspflicht resultierende, ihm obliegende Anhörungspflicht, kann er sich im anschließenden Kündigungsschutzprozess nicht auf den Verdacht einer strafbaren Handlung bzw. eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen, d.h. die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam, so das Bundesarbeitsgericht in 2 AZR 587/94.

Verweigert der Arbeitnehmer allerdings eine aktive Beteiligung an der Aufklärung, erlaubt dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – 2 AZR 483/07 – den Schluss, er sei an einer Aufklärung des gegen ihn gerichteten Verdachts und der Beseitigung des daraus resultierenden Vertrauenswegfalls nicht interessiert, so dass der Arbeitgeber dann weitere Aufklärungsbemühungen durch Befragen des Arbeitnehmers ggf. einstellen kann.

Sie sollten bei einer Kündigung wegen des Verdachtes des Verbreitens, des Erwerbs oder des Besitzes kinder- oder jugendpornografischer Inhalte oder beim Verdacht deren Abrufs solcher Inhalte (184 b Abs. 3, erste Variante StGB) aus eigenem Interesse nicht unvorbereitet in eine solche Anhörung durch den Arbeitgeber gehen – und zwar weder strafrechtlich noch arbeitsrechtlich unvorbereitet.

Ein neutral gesinnter Arbeitgeber wird sich dann überlegen, ob er eine fristlose (Verdachts-) Kündigung ausspricht oder zunächst einmal das Ergebnis des Strafverfahrens abwartet.

Bei einem kündigungswilligen Arbeitgeber, der selbst nachgeholfen hat, Ihnen eine Straftat nach § 184b oder c StGB „nachzuweisen“, wird indessen der Ausspruch der Kündigung nicht zu verhindern sein. Endet das Strafverfahren dann aber in Form einer Einstellung im Stadium des Ermittlungsverfahrens – unabhängig, ob nach § 170 Absatz 2, § 153 oder § 153a der Strafprozessordnung – hat der Verfahrensausgang zwar keine Bindungswirkung im arbeitsgerichtlichen Verfahren, der Arbeitgeber wird sich allerdings schwer tun, seine Kündigung zu rechtfertigen.

Nun bin ich kein Fachanwalt für Arbeitsrecht, höre aber aus informierten Arbeistrechtskreisen, dass die in solchen Fällen zu zahlenden Abfindungen – zu Recht, wie ich finde – Höhen erreichen, die manchen an den Vorruhestand denken lassen. Dann helfen auch die gezogenen küchenpsychologischen Register des Arbeitgeber nichts, die – wie in einem von mir als Strafverteidiger begleiteten Fall vor dem Arbeitsgericht Würzburg – in dem offenbar todernst gemeinten Vortrag des Arbeitgebers bestanden, der Arbeitgeber müsse die Tat (Verbreiten kinderpornografischer Schriften vom Dienstrechner aus) begangen haben, da er anlässlich seiner Anhörung diesen unerhörten Vorwurf nicht energisch, sondern emotionslos (er hatte sachlich argumentiert) zurückwies. Der Arbeitsrechtsstreit wurde vergleichsweise erledigt.

2. Verdacht einer Straftat nach § 184b StGB außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Eine Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber ist in dem Fall, dass der Arbeitnehmer verdächtigt wird (staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren, der Arbeitnehmer ist Beschuldigter) oder ihm vorgeworfen wird (Anklage ist erhoben, der Arbeitnehmer ist Angeschuldigter oder Angeklagter, je nachdem, ob das Gericht das Hauptverfahren eröffnet hat oder nicht), eine Straftat nach § 184b oder c StGB in seiner Freizeit begangen zu haben, sehr viel schwieriger durchzusetzen, als wenn die Straftat am Arbeitsplatz begangen worden sein soll.

Tendenzträger

Grundsätzlich geht es Ihren Arbeitgeber nichts an, womit Sie sich in Ihrer freien zeit außerhalb des Firmengeländes befassen.

Das gilt allerdings dann nicht, wenn Sie „Tendenzträger“ sind, d. h. bei einem Tendenzbetrieb. also einem politisch, konfessionell, karitativ, erzieherisch, wissenschaftlich oder künstlerisch ausgerichteten Unternehmen mit dieser Tendenz entsprechenden Aufgaben beschäftigt sind.

Nach dem Bundesarbeitsgericht – 2 AZR 1055/77 – hat die Stellung als Tendenzträger in einem Tendenzbetrieb Auswirkungen auf das arbeitsvertragliche Pflichtengefüge: Es bestehen gesteigerte Rücksichtnahmepflichten für einen Tendenzträger. Die Bindungen des Arbeitnehmers in seinem außerdienstlichen Verhalten und in seinem Privatleben gehen weiter als in anderen Arbeitsverhältnissen. Der Arbeitnehmer ist insbesondere verpflichtet, auch im außerbetrieblichen Bereich nicht gegen die Tendenz, d. h. die grundsätzlichen Zielsetzungen des Unternehmens, zu verstoßen, so das Bundesarbeitsgericht in 2 AZR 483/07. Bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Tendenz, insbesondere solchen, bei denen der Tendenzträger offensichtlichund erheblich gegen die der unternehmerischen Betätigung zugrundeliegenden Grundrechts- und Verfassungswerte verstößt und deshalb nicht mit einer entsprechenden Billigung seiner Handlung durch den „Tendenzarbeitgeber“ rechnen kann, kann eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund – auch ohne Abmahnung, aber eben nicht ohne Anhörung – in Betracht kommen.

Strafrechtliche Beratung vor der arbeitsrechtlichen Anhörung

Es ist daher auch in solchen Konstellationen angeraten, nicht unvorbereitet, sondern (sexual-)strafrechtlich und arbeitsrechtlich umfassend beraten in eine Anhörung zu gehen bzw. frühestmöglich nach Kenntniserlangen des Arbeitgebers von einem Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat nach §§ 184b, c oder d StGB auch in strafrechtlicher Hinsicht ihm gegenüber Entlastendes vorzutragen, um ihm die Möglichkeit einer Unschuld im strafrechtlichen Sinne und auch die Schwierigkeiten der Beweisführung der Ermittlungsbehörden vor Augen zu führen, die er dann – meist selbst straf- und arbeitsrechtlich beraten – auch für seine eigene Beweisführungen im Falle einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung wegen des vorschnellen Ausspruchs einer Verdachtskündigung feststellen wird.

Keine unnötige Bloßstellung des Beschuldigten als polizeiliche Pflicht!

Wenn mir ein Mandant berichtet, bei der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Verdachtes einer Straftat nach § 184b, c oder d StGB seien die Polizeibeamten auf Unterlagen gestoßen, die auf seinen Arbeitgeber schließen lassen, weise ich die Beamten schriftlich auf Nr. 4a der Richtlinien für das Strafverfahren hin, die nicht nur für Staatsanwälte, sondern auch für Polizeibeamten als deren Ermittlungspersonen gelten:

„Der Staatsanwalt vermeidet alles, was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Beschuldigten führen kann. Das gilt insbesondere im Schriftverkehr mit anderen Behörden und Personen. Sollte die Bezeichnung des Beschuldigten oder der ihm zur Last gelegten Straftat nicht entbehrlich sein, ist deutlich zu machen, dass gegen den Beschuldigten lediglich der Verdacht einer Straftat besteht.“

So wird der Eifer manches Beamten und – erfahrungsgemäß wesentlich öfter: – mancher Beamtin, den Arbeitgeber des Beschuldigten zu informieren, gebremst, da diese Information des Arbeitgebers in nicht wenigen Fällen genau dann zur Sprache kommt, wenn der Beschuldigte – zu Recht! – nichts zu dem Tatvorwurf aussagt.

Man kann darüber diskutieren, ob die Staatsanwaltschaft in speziellen Fällen den Arbeitgeber informieren darf. Die Polizei hat diese Entscheidung aber stets und ohne Ausnahme der Staatsanwaltschaft zu überlassen.

3. Strafurteil wegen § 184b oder c StGB und Arbeitsverhältnis

Das Wichtigstes vorab: Es gibt keine Bindungswirkung zwischen Strafrecht und Zivilrecht.

Das Arbeitsrecht ist Teil des Zivilrechts, also hat ein strafrechtliches Urteil keine zwingende Wirkung auf ein arbeitsrechtliches Verfahren, weder in die eine noch in die andere Richtung:
Wurden Sie von einem Strafgericht frei gesprochen, heißt das nicht zwingend, dass Sie Ihren arbeitsgerichtlichen Prozess, z. B. die Kündigungsschutzklage, gewinnen. Ein Freispruch oder die Einstellung des Strafverfahrens erhöhen natürlich die Chancen, im Arbeitsprozess gut abzuschneiden – was immer man darunter verstehen mag – erheblich.

Umgekehrt löst eine strafrechtliche Verurteilung keinen Automatismus in dem Sinne aus, dass Ihre Kündigungsschutzklage wegen Unbegründetheit abgewiesen wird. 

Das alles ist aber die Domäne des Fachanwaltes für Arbeitsrecht. Als ausschließlich auf Sexualstrafrecht spezialisierter Strafverteidiger bin ich in solchen Konstellationen beratend und unterstützend tätig.

4. Beschuldigter Beamter

Wenn Sie kein Angestellter, sondern Beamter sind, finden Sie unter der Konstellation „184b StGB als Beamter“ spezielle Informationen.