Digital generiert
Kinderpornografie-Verfahren in Würzburg, Gießen und Marburg
Pornografie, digital generierte Pornografie und Kinderpornografie
I. Kleine Presseschau
Der Kommentator der nicht nur in Bayern verbreiteten Süddeutschen Zeitung berichtete am 17. Dezember 2019 unter der Überschrift „Künstliches Grauen“, in den Asservatenkammern der Justizbehörden lagerten „viele Gigabyte Aufnahmen sexualisierter Gewalt gegen Kinder“, unter deren Zuhilfenahme es den deutschen Polizeibehörden erlaubt werden solle, computergenerierte eigene kinderpornografische Filmdateien herzustellen, um sich mit deren Hilfe Zutritt zu Foren zu verschaffen, in denen solche Darstellungen unter den Forumsteilnehmer ausgetauscht und zunächst als Eintrittskarte verlangt würden.
II. Falsche Prämisse: Kein Tauschzwang in den "Playpen"-Verfahren in Gießen, Marbug und Würzburg
Der Artikel in der Süddeutschen vermittelt das auch im Gesetzgebungsverfahren bemühte, aber schlicht unzutreffende Bild, dass jemand, der sich Zugang zu einem Forum, in dem auch, schwerpunktmäßig oder gar ausschließlich kinder- und jugendpornografische Bild- und Filmdateien zu finden sind, verschaffen wolle, im Gegenzug zu dem gewährten Zugang solcherlei Bild- oder Filmmaterial zur Verfügung stellen müsse. Allein diese Prämisse ist – wie alleine die von mir in den letzten drei Monaten vor den Amtsgerichten Gießen, Marburg, Friedberg und Würzburg verteidigten Verfahren betreffend das vom FBI ausgehobene Forum „PlayPen“ zeigen – barer Unsinn. In keinem der genannten Verfahren musste irgendetwas eingetauscht werden, um Zugang zu dem Forum „Playpen“ zu erhalten. Aus mehr als 250 Kinder- und Jugenpornografieverfahren, in denen ich als spezialisierter Anwalt tätig war, ist mir kein Forum bekannt, bei dem zum Erlangen des Zugangs zuvor ausschließlich eigens hergestellte oder reale Kinderpornografie in Biild- oder Schriftform hätte eingetauscht werden müssen.
Die zweite, nahezu unausgesprochene Prämisse zur Ermächtigung des BKA, die sowohl der Zeitungsartikel wie auch die Beratungen zum Gesetzgebungsverfahren vermitteln, ist ebenso falsch: Es gibt in der Tat einige wenige Foren, in denen Untergruppen existieren, in denen wiederum einzelne Teilnehmer nur dann zur Weitergabe von Kinder- oder Jugendpornografie oder jedenfalls dessen, von dem sie annehmen, es sei solche, bereit sind, wenn sie vom Empfänger ebenfalls Bild- oder Filmdateien entsprechenden Inhaltes erhalten. Dass diese auch Dateien tatsächliche oder auch nur wirklichkeitsnahe Geschehnisse enthalten müssen, ist mir nicht auch nur ein einziges Mal begegnet: Die Möglichkeit, dass bereits im Netz kursierende und damit existierende – offensichtliche – Comics kinder- oder jugendpornografischen Inhaltes im Gegenzug für die Aufnahme in die Untergruppe zur Verfügung gestellt werden, existiert bereits, ohne dass der Gesetzgeber dem BKA erlauben müsste, täuschend echt wirkende Kinder- oder Jugendpornografie per Rechner aus irgendwelchen realen Vorlagen herzustellen.
Im letzten Absatz des Artikels findet sich die vom Verfasser vermutlich bierernst gemeinte, für den aufmerksamen Zeitungsleser sarkastisch anmutende Bemerkung, diese computergenerierten kinder- oder jugendpornografischen Film- oder Bilddateien erstellten die deutschen Behörden selbst, denn „Expertise wäre zum Beispiel beim Bundeskriminalamt vorhanden“.
In der Tat! Vor allem in Person des Leitenden Kriminaldirektors beim BKA a. D. Karl-Heinz D., der vom Präsidenten des BKA nach Entdecken eigenen Besitzes kinderpornografischer Dateien in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde. Spielte die Süddeutsche darauf an? Wenn nicht, weiß der Kommentar mehr als sein Verfasser.
Um nun zu vermeiden, dass ein BKA-Beamter in seiner Freizeit kinderpornografische Filme oder Bilder aus realen Vorlagen mittels künstlicher Intelligenz digital generiert und öffentlich zugänglich macht, heißt es in der Beschlussempfehlung, nachzulesen in der Bundestagsdrucksache Drucksache 19/16543:
„Es muss sich im Übrigen um eine dienstliche Handlung im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens handeln. Dieses Erfordernis stellt sicher, dass der Tatbestandsausschluss lediglich Ermittlern zugutekommen kann, die im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung eingesetzt sind.“
III. Kinder- und Jugendpornografie ist in sehr wenigen Fällen sexualisierte Gewalt
Die Dringlichkeit der Ausweitung behördlicher Befugnisse wird damit begründet, man müsse etwas gegen „sexualisierte Gewalt“ gegen Kinder unternehmen.
Unabhängig davon, wie man Pornografie überhaupt definiert – für den weitere Interessierten sehr erhellend OLG Frankfurt NJW 1987, 454 und OLG Koblenz NJW 1979, 1467 –, ist sie jedenfalls etwas anderes als das Ausüben von Gewalt; Sie kann allenfalls Gewalt abbilden. Die Abbildung der grausamen (Mordmerkmal!) Tötung einer Person unter Nutzung einer Kettensäge ist selbst noch keine Tötung dieser Person. Wer eine solche Abbildung, beispielsweise in Form einer Filmdateien verbreitet oder öffentlich zugänglich macht, wird laut § 131 StGB mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr bestraft, also so wie der Beleidiger oder Brecher des Hausfriedens („Bagatellkriminalität“, wenn es so etwas geben sollte).
Für den, der eine Abbildung verbreitet, die ein nacktes 13-jähriges Mädchen am Strand zeigt, wobei der Genitalbereich in den Fokus der Aufnahme gerückt ist, sieht das Gesetz keine Geldstrafe mehr, sondern nur noch eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.
Das kann man angemessen finden, man muss es aber nicht. Der Deutsche findet so etwas angemessen, jedenfalls auf dem Kirchenvorplatz sonntags nach der Messe.
Der Verbreiter des Bildes oder Filmes eines Kettensägenmordes begeht ebenso wenig einen solchen wie der Verbreiter des Strandbildes „sexualisierte Gewalt“ an einem Kind verübt. Während allerdings bei dem Kettensägenmord tatsächlich jemand zu Tode kommt, muss die Aufgenommene im Falle des Strandbildes nicht einmal etwas von der Aufnahme gemerkt haben und merkt es auch in den seltensten Fällen.
Bevor mich nun wieder einige wenige Mordrohungen oder die üblichen schon zahlreicheren Beschimpfungen als „Unrechtsanwalt“, „Verharmloser“, „Moralentleerter“ – um die noch geistreichen zu nennen – erreichen, teile ich zur Beruhigung auch der Moralspezialisten von Union, SPD und AfD – also all jenen, die dem Ermächtigungsgesetz zur staatseigenen Anfertigung von wirklichkeitsnaher künstlich generierter Kinderpornografie zugestimmt haben – mit, dass ich keineswegs für die Straflosigkeit des Besitzes oder der Verbreitung solcher beispielhaft beschriebenen Strandaufnahmen plädiere. Ich wehre mich nur gegen den Unsinn, Kinder- oder Jugendpornografie zum Zwecke der für jeden Bürger – auch den vermeintlich braven – gefährlichen Ausweitung staatlicher Befugnisse stets mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder gleichzusetzen oder auch nur so zu tun, als wäre das der Regelfall. Er ist es nicht.
IV. Kein messbarer Nutzen der digital generierten Kinderpornografie
V. Karlsruhe und Wiesbaden bescheren uns eine Flut an 184b-Verfahren
Man braucht kein Glaskugelbesitzer oder Kaffeesatzleser zu sein, um nach diesem gesetzgeberischen Fehlgriff eine intensive Zunahme der Verfahren wegen des Verdachtes des Besitzes kinder- oder jugendpornografischer Schriften in den nächsten Monaten und Jahren in Deutschland vorauszusagen. Als Anwalt sollte es einen eigentlich beruhigen, da man weiß, dass es alleine im Bereich der §§ 184b, 184c und 184d StGB für jeden dort tätigen Strafverteidiger genügend zu tun gibt für die nächsten 200 Jahre.
Seitdem uns die Entscheidung aus Karlsruhe (Sitz auch des Bundesverfassungsgerichts) in der causa Edathy darüber aufgeklärt hat, wann ein Anfangsverdacht für eine Wohnungsdurchsuchung vorliegt und wann nicht, wissen wir, dass ein legales (!) Verhalten bereits einen Anfangsverdacht begründen kann, der eine Wohnungsdurchsuchung rechtfertigt.
„Wer nichts zu verbergen hat, braucht nichts zu befürchten“,
denken Sie, verehrter Leser.
Wir könnten uns noch einmal darüber unterhalten, wenn Ihnen die Freude einer Wohnungsdurchsuchung bei Morgendämmerung widerfahren ist und man dann auch noch eine alte VHS-Kassette mit cineastischen Werken wie Schulmädchenreport (ab 1970, Folgen 1 bis 13) in Ihrem Keller findet, deren Inhalt der von der Staatsanwaltschaft beauftragte IT-Sachverständige als „möglicherweise jugendpornografisch“ bewertet, außerdem in Ihrem Browser-Cache Vorschaubilder von Damen im Schulmädchenreportalter gefunden werden, so dass die Staatsanwaltschaft Ihnen großzügig anbietet, gegen Zahlung von 10.571,39 Euro (so die Staatsanwaltschaft Frankfurt in einem noch laufenden Verfahren, ich berichte bei Abschluss) – zufällig genau die Höhe der Auswertkosten – das Verfahren nach § 153a StPO einzustellen. Diesen Betrag dürfen Sie vielleicht auch an den scheinheiligen Kinderschutzbund überweisen: Wenn Ihre Zahlung nicht öffentlich wird, nimmt er sie bereitwillig an, während er im Falle Edathy die Zahlung von 5.000 Euro wegen moralischer Bedenken abgelehnt hat.
Merke: Die Stammtischparole „Wer nichts zu verbergen hat, braucht nichts zu befürchten“ trifft in Deutschland genauso wenig zu wie in Nordkorea.
Zurück zum eigentlichen Thema: Die Polizei in Gestalt des in Wiesbaden ansässigen BKA wird nun selbst Kinderpornografie per Rechner herstellen, das Verb „animieren“ passt ja hier besonders gut, diese Kinderpornografie anderen zugänglich machen, angeblich, um sich so Zugang zu Foren zu verschaffen, den sie andernfalls nicht erhielte.
Folge dieser Vorgehensweise wird zwangsläufig sein, dass eine nicht unerhebliche Menge staatlich erzeugter Aufnahmen zwar fiktiver, aber doch wirklichkeitsnaher kinderpornografischer Inhalte ins Netz gespült wird, mit der notwendigerweise auch Konsumenten erlaubter Pornografie in Berührung kommen werden. Dies wiederum wird zur Folge haben, dass sich einige von der legalen Pornografie Gelangweilte durch den Kontakt mit staatlich hergestellter illegaler Pornografie weiter für solche Art der Pornografie interessieren und damit den Marktumsatz daran erhöhen. Davon geht der Bundesrat übrigens selbst aus, indem er ausführt, jede Verbreitung solchen Materials erhöhe den Marktumsatz, schaffe und verstärke eine Suchtentwicklung von Pornografiekonsumenten und wirke so zumindest mittelbar auf eine Erhöhung des Angebots sowie des realen Missbrauchs hin.
Zur Begründung der Befugnis der Polizei zur computergestützten Herstellung von Kinderpornografie führt der Bundesrat an, bei der Beschränkung auf so erstellte Abbildungen sei die Betroffenheit von Rechtsgütern Dritter ausgeschlossen, eben weil die Aufnahmen künstlich erzeugt würden.
Liest man beide Begründungen im Kontext, ergibt sich daraus deren völlige Widersinnigkeit: Die Abbildungen verletzen die Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern nicht, da sie ja künstlich erzeugt sind, führen aber zu einer Sucht von Pornografiekonsumenten, die zu einer Erhöhung des realen Missbrauchs von Kindern führe.
Die einzige Bundestagsfraktion, die diese Gesetzesbegründung als blödsinnig entlarvt hat, war die der FDP; sie verweigerte ihre Zustimmung zu dem Gesetzesvorhaben.
Die amerikanischen Behörden haben unschärfere, das heißt im Klartext: weitere Definitionen von Kinder- und Jugendpornografie. Es werden also täglich noch mehr sog. CyberTipline Reports aus den Staaten beim BKA in Wiesbaden eingehen, in denen in Deutschland ermittelte IP-Adressen genannt werden, die nach US-amerikanischer Definition auf kinderpornografische Abbildungen zugegriffen haben sollen, wobei ein nicht unerheblicher Anteil der Zugriffe ausschließlich auf vom BKA eigens künstlich gefertigte kinderpornografische Dateien erfolgt sein wird, da diese sich auch auf Seiten finden werden, die vermeintlich Erwachsenenpornografie zeigt. Auf diese Weise kriminalisiert man weite Teile der Bevölkerung, auch Bürger, die von sich glauben, nichts zu befürchten zu haben.