1. April 2025
Befangenheit in Kinderpornografieverfahren
Traunstein: BGH sieht Richterin als befangen
Das Landgericht Traunstein hat den – nicht von mir verteidigten – Angeklagten wegen Mordes und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer „Einheitsjugendstrafe“ von neun Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verlet-zung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Die Begründung dieser Entscheidung durch den BGH ist für Kinderpornografieverfahren von nicht zu unterschätzender Bedeutung. In diesen Verfahren sind besonders technisch wenog versierte Richter aufgrund der in den Sonderbänden meist in großformatig ausgedruckter Form vorhandenen Bildern schlichtweg voreingenommen: So ein Kram kommt nicht von alleine auf den Rechner – egal, ob in Vorschaubilddatenbanken, auf die der normale Nutzer keinen Zugriff hat, oder im gelöschten Bereich, aus dem nur forensische Software zerstückelte Bilddateien wieder zusammenschnitzen kann („file carving“).
Der BGH erachtete den Befangenheitsantrag des Angeklagten gegen die Traunsteiner Vorsitzende als begründet, weil diese einen zwischen ihr und der Staatsanwaltschaft geführten E-Mail-Verkehr, in dem es um die rechtliche Bewertung der Tat (die hier nicht weiter interessiert) ging, nicht offenlegte, als sie einen entsprechenden Hinweis in der Hauptverhandlung, wie denn die Tat rechtlich zu bewerten sein könnte, gab. Der BGH schreibt:
„Nach alledem konnte auch für einen besonnenen Angeklagten der Eindruck entstehen, die Vorsitzende habe sich heimlich an ihm vorbei ihre Überzeugung auch durch Austausch von Argumenten allein mit der Staatsanwaltschaft bilden wollen und sich damit ihrer Neutralität begeben.“
Sehr schön! Den Rettungsversuch dieser Vorsitzenden, die obendrein im Revisionsverfahren ungefragt ihre Einschätzung bezüglich des gegen sie gerichteten Befangenheitsantrages zum Besten gab, kommentierte der BGH:
„Vielmehr hat sie umfangreich dargelegt, wie sie die Befangenheitsrüge einschätzt. Dies entspricht indes nicht dem von § 347 Abs. 1 Satz 2, 3 StPO vorgesehenen Ablauf eines Revisionsverfahrens.“
Die diplomatische Art zu sagen: Da ist jemand nicht nur befangen, sondern beherrscht zudem die Grundlagen des deutschen Strafprozessrechts nicht.
Diese Spezies von Richter treffe ich überzufällig oft in Kinderpornografieverfahren ab, wobei dort seltener mit der Staatsanwaltschaft als vielmehr mit dem IT-Sachverständigen „geküngelt“ wird: Man ruft mal unvberbindlich an und erkundigt sich, welche Fragen man denn als IT-unerfahrener Richter stellen müsse, damit dem Angeklagten der Besitz, des Unternehmen des Abrufs oderc ähnliches nachgewiesen werden könne.
Die Strafprozessordnung sieht aus gutem Grund vor, dass jeder Beschuldigte auf Verlangen schon während der ersten Vernehmung auf einen Verteidiger bestehen kann.