Durchsuchung bei Nutzung der Darknet-Plattform

KidFlix

Durchsuchung bei Nutzungvon KidFlix

Nach Auffassung der Generalstaatsanwaltschaften Bamberg („Cybercrime“) und Frankfurt am Main („Zentralstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität – ZIT“) handelt es sich bei KidFlix um eine Plattform, die nur über das Tor-Netzwerk erreicht werden kann und die ausschließlich (!) der Veröffentlichung kinder- und jugendpornographischer Inhalte diene. Nach den Erkenntnissen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main können nach der Registrierung mit einem frei wählbaren Nutzernamen und ebenso frei wählbaren Passwort Nutzer dort inkriminierte Inhalte streamen, mittels einer Chatfunktion kommunizieren und Verlinkungen zu inkriminierten Inhalten einfügen. 

 

ZIT: Nachtigall, ick hör´dir trapsen

Die ZIT begründet ihre Anträge auf Erlass von Durchsuchungebeschlüssen gegenüber den Ermittlungsgerichten mit der Arhumentation, die Startseite von KidFlix zeige bereits eine Auswahl an inkriminierten Videos, jeder Nutzer könne kostenfrei etwa 54.000 „inkriminierte Inhalte“ – gemeint sie damit vermutlich kinder- und jugendpornografische Inhalte – abrufen.

Ferner seien, so die ZIT, kostenpflichtige Premiumzugänge zu erwerben, mittels derer diese Inhalte in höhnerer Qualität und vollständiger Länge möglich seien. Für den Upload sowie die Bewertung der dargebotenen Inhalte erhielten Nutzer eine webseiteneigene Währung in Form sogenannter candies, mit der der beschrieben Abruf möglich sei.

Weswegen gibt man sich bei der Begründung von Anträgen auf Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen auf einmal eine solche Mühe? Landgerichte (als letzte Instanz bei Beschwerden des Beschuldigten gegen Durchsuchungsbeschlüsse) haben doch schon Begründungen für rechtmäßig erachtet, die sich in dem Satz erschöpften:

„Der Tatverdacht beruht auf den bisherigen polizeilichen Ermittlungen, insbesondere einer Mitteilung des NCMEC an die deutschen Strafverfolgungsbehörden.“

Ich vermute, dass folgende taktische Überlegung hinter dieser ausufernden Begründung steht:
Wer im Tor-Netzwerk unterwegs ist, dort eventuell auch noch mit Bitcoin bezahlt, weiß, wie man bei Internetaktivitäten möglichst wenig Spuren hinterlässt. Die Staatsanwälte erwarten also, dass Durchsuchungen bei Nutzern von KidFlix zwar zu enormen Mengen an beschlagnahmten Speichermedien führen werden, deren Auswertung wegen der hohen IT-Affinität deren Besitzer in vielen Fällen zu keinen gerichtsverwendbaren Ergebnissen führen wird, da diese Besitzer mit Verschlüsselungen, Cache-Löschungen u. ä. arbeiten.

So arbeiten die Staatsanwaltschaften also darauf hin, dass der – angebliche – Nachweis der Nutzung der Plattform „KidFlix“ bereits den Straftatbestand des Unternehmens des Abrufs kinderpornografischer Inhalte gemäß §184b Absatz 3, 1. Alternative StGB („Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt … abzurufen … wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“) bereits für eine Anklage und eine dieser Anklage entsprechenden Verurteilung ausreichen soll.

Der Unsinn der "drohenden Strafen"

Haben Sie Ihre Mandeln noch? Oder Ihren Blinddarm? Nein? Dann droht Ihnen der Tod! Denn sollten Ihnen die einen onder der andere entnommen werden, laufen Sie Gefahr, an der Narkose zu sterben – „liegen zu bleiben“, wie man unter Anästhesisten zu sagen pflegt.

Ähnlicher Unsinn sind Veröffentlichungen zu dem Thema „KidFlix“, in denen zu lesen ist, es drohten bei Abruf, dem Sicherschaffen oder dem Besitz von Kinderpornografie als Nutzer von KidFlix „bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe“, weshalb man sich auf jeden Fall an den Verfasser solcher Artikel wenden solle, falls einem die Freude einer Wohnungsdurchsuchung widerfahre.
Die fünf Jahre sind das Höchstmaß, das der Absatz 3 des § 184b StGB vorsieht. Wer nicht von einem Vollidioten verteidigt wird, nicht unter laufender Bewährung steht, der wird wegen der bloßen Nutzung von KidFlix selbst für den Fall, dass ihm der Besitz kinderpornografischer Inhalte in beträchtlicher Menge – also in fünfstelliger Anzahl – nachgewiesen werden kann, die Hälfte dieser Strafdrohung nicht überschreiten.

In keinem Fall der seit 2004 von mir verteidigten etwa 950 Kinderpornografieverfahren ist ein Angeklagter, der nicht unter laufender Bewährung wegen einer Sexualstraftat stand, wegen des bloßen Unternehmens des Abrufs, des Sichverschaffens oder des Besitzes kinderpornografischer Inhalte (bis Sylvester 2020 hieß es „Schriften“ statt „Inhalte“) zu einer Vollzugsstrafe verurteilt worden! Ausnahmslos alle haben, wenn einige mit zwei Jahren auch knapp, eine Geld- oder Bewährungsstrafe erhalten, wenn nicht das Verfahren nach §§ 153a oder 170 StPO eingestellt worden ist. 

Was tatsächlich zu tun ist

Jeder Bürger sollte Sorge dafür tragen, dass auf keinem seiner „Speichermedien“ verbotene Inhalte abgelegt sind. Verboten sind zum Beispiel Kinderpornografie, Jugendpornografie, verfasungsfeindliche Symbole. Der Besitz von Tier- und Gewaltpornografie ist zwar nicht verboten (wohl aber das Vorrätighalten, lesen Sie 184a StGB), macht aber bei der Durchsuchung nicht den allerbesten Eindruck. 

Daher ist es keine Strafvereitelung meinerseits, Ihnen zu raten, die bei einer sorgsamen Durchsicht eigener Speichermedien entdeckten fragwürdigen Inhalte zu löschen. Es ist Ihrerseits auch keine Beweismittelunterdrückung (Leseempfehlung: § 112 StPO), wenn Sie dies tun – auch wenn ein solcher Blödsinn von Anwälten im Netz behauptet wird. 

Wer nicht genau weiß, was im sog. Cache des Browsers oder des Betriebssystems gecached worden ist, aber beim Stöbern im Netz auf Dubioses gestoßen ist, tut gut daran, die Caches zu leeren, schon um des wertvollen Speicherplatzes wegen. 

Prophylaktisch kann die Lektüre der Empfehlungen bei einer Durchsuchung nicht schaden.

Wenn Sie glauben, demnächst durchsucht zu werden, notieren Sie die Rufnummer eines Verteidigers Ihrer Wahl unter „Hans-Werner“, „Jörg“ oder, sollten Sie jüngeren Geburtsdatums sein, unter „Ben“, „Leon“ oder ähnlichen Vornamen in Ihrem Mobiltelefon und bestehen im Durchsuchungsfall darauf, ihren bekannten Anwalt anzurufen. Praktisch ist es, wenn er darn geht, weil er morgens früh schon im Büro ist. So kann Ihnen niemand unterstellen, Sie hätten sich vorherc von einem Experten beraten lassen – denn ob Sie das getan haben oder nicht, geht niemanden etwas an. Lesen Sie dazu auch den letzten Absatz des Artikels über die anonyme Beratung namens „Nichts an den Küchenschrank“.