Keine Verteidigung in der Sache:

Twinkie Defense

"Ich bitte um ein mildes Urteil"

Beschuldigte oder gar schon Angeklagte, manchmal auch erstinstanzlich Verurteilte, die ihrem bisherigen Verteidiger das Mandat entzogen und es mir übertragen haben, berichten mir immer wieder, dass sich die Verteidigungskünste und -tätigkeiten ihrer bisherigen Verteidiger im Ermittlungsverfahren darauf beschränkten, das Ergebnis des IT-Auswertgutachtens stillschweigend hinzunehmen.

Erhob die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage dieser unwidersprochenen Ergebnisse des Auswertgutachtens Anklage, wehrte sich der gekündigte Verteidiger dagegen ebenso wenig wie während des Ermittlungsverfahrens.  

Kündigt der Angeklagte nach dieser anwaltlichen Arbeitsverweigerung noch immer das Mandat nicht, erlebt er eine Hauptverhandlung ohne jeden die Anklagevorwürfe in Abrede stellenden oder auch nur in Zweifel ziehenden Beweisantrag, ohne kritische Fragen an Durchsuchungszeugen oder an den bzw. die Sachverständigen. 

Erst bei den Plädoyers bemerkt man überhaupt die Anwesenheit des Verteidigers, dessen Vortrag sich darauf reduziert, das Gericht doch um ein mildes Urteil zu bitten, da der Angeklagte zeitlebens ein rechtschaffener Mann gewesen sei, sich nie etwas habe zu Schulden kommen lassen und er, der Twinkie-Defense-Laywer, von Fällen gehört habe, in denen jemand noch mehr Bilder besaß und dennoch eine Bewährungsstrafe erhalten habe. 

Dafür brauchen Sie keinen Verteidiger

Verteidiger, die so agieren, nehmen natürlich eine Pauschale. Ein zeitbasiertes Honorar käme den Mandanten viel zu billig.

Einen solchen Verteidiger brauchen Sie nicht! Dass Sie nicht vorbestraft sind, stellt dass Gericht von Amts wegen durch Verlseung des Auszuges aus dem Bundeszentralregister fest.
Wie andere Gerichte in anderen Verfahren über andere Angeklagte geurteilt haben, interessiert das Sie aburteilende Gericht nicht.  
Mit einem Wort: Das Geschwätz eines solchen Verteidigers ist alleine für die Gallerie bestimmt.

Sie brauchen, was Sie selbst nicht können

Wenn Sie niemanden fürs Händchenhalten bezahlen wollen, ist ein Verteidiger nur dann sinnvoll, wenn er Dinge tut, die Sie selbst mangels juristischen oder IT-technischen Wissens nicht tun können, etwa:
Die Ermittlungsakte studieren und bewerten, ob die Durchsuchung oder die Beschlagnahme mit Erfolgsaussichten anzugreifen ist – mit der Folge eines Verbotes der Verwertung der beschlagnahmten Speichermedien.
Im Rahmen einer Verteidigungsschrift darlegen, weswegen diese oder jene vom IT-Sachverständigen „gefundene“ (oft mittels forensischer Softwware wieder hergestellte) Dateien mangels Herrschaftsgewalt keinen Besitz im Sinne des § 184b Abs. 3 StGB darstellen,
Die Alterseinstufung der auf Bildern oder in Filmen Dargestellten zu Ihren Gunsten korrigieren.
Den Unterschied zwischen straflosen Nacktbildern und strafbarer Pornografie darlegen.
Usw usf.  

Twinkies

Wenn nichts von alledem kommt, sondern lediglich ein paar warme Worte im Schlussvortrag, ist Ihnen eine Twinkie-Defense – man könnte es mit Doppelkeks-Verteidigung übersetzen – widerfahren: Keine Verteidigung in der Sache, also dort, wo tatsächlich Punkte für einen Freispruch, eine Teileinstellung oder eine deutliche Strafmaßreduzierung zu holen sind, sondern eine Verteidigung, die im Absurden argumentiert, um das Gericht zu einem milden Urteil zu bewegen. Das mag im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und seinen Geschworenen zuweilen leidlich funktionieren, nicht aber in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. 

Woher kommt der Begriff "Twinkie Defense"?

Der Begriff stammt aus dem Strafverfahren gegen den US-Amerikaner Dan White, einem Politiker aus San Francisco, der im Jahre 1979 wegen Mordes angeklagt wurde. Der vom Gericht gehörte psychiatrische Sachverständige Blinder wies darauf hin, dass Whites immenser Verzehr von zuckerhaltigen Lebensmitteln wie Twinkies (cremegefüllte Doppelkekse) zu verminderter Zurechnungsfähigkeit führen könnte. Auf der Grundlage dieser Aussage gelang es Whites Anwalt, der das angeklagte Tatgeschehen als solches nicht angriff, die Geschworenen davon zu überzeugen, dass White solch große Mengen von Twinkies verschlang, so dass ihm die für einen Mord erforderlichen Elemente des Vorsatzes im Sinne einer Absicht fehlten. Er wurde sodann tatsächlich wegen eines weniger intensiv bestraften Tötungsdeliktes – am ehesten vergleichbar dem Totschlag i. S. des § 212 des deutschen StGB – verurteilt.
Dass dies mit der absurden Argumentation des übermäßigen Verzehrs von Twinkies gelang, ist erstens nichts weiter als ein für den Angeklagten glücklicher Zufall, der zweitens der kalifornischen Strafprozessordnung zu verdanken ist, die der Gesetzgeber nach dem Prozess erheblich verschärfte.